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fleischsalat 05.01.2014 16:59

Absatzbeil
 
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Über den Jahreswechsel waren mein Lehmofen und ich natürlich nicht untätig.
Nach einer Reihe von Fehlversuchen, kam am letzten Tag des Jahres 2013 ein schönes Absatzbeil mit Öse aus dem Feuer.

Nach dem Randleistenbeil ist das Absatzbeil als dessen Nachfolger zu bezeichnen.
Die technische Neuerung besteht darin, dass die Schäftung nicht mehr zwischen den Randleisten klemmt und die Schlagenergie nicht mehr direkt auf die Schäftung abgeleitet wird.
Bei diesem Beiltyp hat die Schäftung ein Widerlager.
Absatzbeile gibt es mit und ohne Öse, die zur Befestigung am Schaft dient.
Ich habe mich für die Variante mit Öse entschieden, da ich sie optisch ansprechender finde.

Das hier entstandene Beil datiert in die ältere Bronzezeit und war „ausgesprochen westlich, von Spanien bis in das Weser-Ems-Gebiet verbreitet“ (Quelle: Leben-Glauben-Sterben vor 3000 Jahren- Bronzezeit in Niedersachsen, Isensee-Verlag 1996) .

Das Beil wurde mit einem Zweischalenguss hergestellt. Informationen zu diesem Gussverfahren und der Formherstellung findet Ihr hier:
http://schatzsucher.de/Foren/showthread.php?t=75307

Dieses Gussstück wurde mit einer Zinnbronze mit 90%CU, 10%SN gegossen.

fleischsalat 05.01.2014 17:06

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Hier ein paar Detailbilder nach dem Guss.
Bei einer Zweischalen-Form ist es immer schwer, exakte Symmetrie zu schaffen, besonders wenn die Form doch recht facettenreich ins negativ geht.
Ich denke, es ist hierbei gut gelungen.

Gimbli 05.01.2014 17:08

Hi Jan, ich finde das Stück ist dir mal wieder erstklassig gelungen.:yeap
Wenn das entgratet und geschliffen ist bestimmt ein Sahnestück.

Gruß Michael

fleischsalat 05.01.2014 17:09

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Jetzt folgt die erste Überarbeitung. Die Gussgrate und der Gusszapfen werden entfernt und das Werkstück grob überschliffen. Die Gussgrate kann man leicht durch Abknicken entfernen.
Das Schleifen geschieht auf einer nassen Sandsteinplatte.

fleischsalat 05.01.2014 17:13

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Nun folgt die eigentliche Wissenschaft: Das Schmieden der Bronze.
Um im Klingenbereich größere Härte zu schaffen, wird die Klinge ausgeschmiedet.
Zuerst nimmt man einen etwas schwereren Hammer. Nach einem Durchgang muss das Werkstück geglüht werden. Hierbei entspannt sich das vorher durch die Hammerschläge verdichtete Metallgitter. Zum Glühen genügt es, das Beil etwa eine halbe Stunde im Ofen/ in der Feuerstelle mit Holzkohle zu bedecken.

fleischsalat 05.01.2014 17:17

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Nach dem Glühen wird die heiße Klinge mit einem geeigneten Werkzeug aus der Glut genommen und in Wasser abgekühlt. Nun erfolgt die zweite Stufe des Ausschmiedens mit einem etwas kleineren Hammer. Ich nutze hier ganz gern den Treibhammer, um eventuelle Unebenheiten an der Klinge zu beseitigen.
Auch nach diesem Durchgang wird die Klinge wieder geglüht und abgekühlt.

sirente63 05.01.2014 17:18

Klasse Arbeit,da gibt es nichts dran zu rütteln! :yeap

fleischsalat 05.01.2014 17:18

Soweit erstmal. Am nächsten (hoffentlich) Wochenende gehts dann an den Feinschliff.

oktavian 05.01.2014 17:33

Schöne Arbeit :yeap es macht Spaß Dich bei Deiner Arbeit zu begleiten.

chabbs 05.01.2014 17:42

Unglaublich! Richtig gut, wieder einmal!

ODAS 05.01.2014 18:09

Wieder ein wunderschönes Stück!

uglydigger 05.01.2014 19:08

Super Arbeit
HUT AB
Da steckt nicht nur Arbeit drin sondern eine pofesionelle Vorbereitung.
Echt Klasse
So etwas hätte ich gerne vor 28 Jahren in meiner Ausbildung zum Schmied auch gerne mal gemacht.
Da kommt mein geschmiedetes Wikingerbeil nicht mit.
Mir fehlen echt die Worte.
Klasse

Gruß und mach bitte weiter so
Andy

fleischsalat 19.01.2014 16:14

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Hier der Zwischenstand- Weiter bin ich leider noch nicht gekommen.
Ist vom Bearbeiten etwas ganz anderes, als damals das Randleistenbeil. Aufgrund der Form gestaltet es sich wesentlich komplizierter und zeitintensiver:rolleyes::rolleyes::rolleyes:

Septimius 20.01.2014 19:18

Wahnsinn, freu mich schon auf das Lappenbeil ;)

fleischsalat 27.01.2014 19:37

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Weiter geht’s.
Wenn die Klinge von den letzten Unebenheiten befreit ist, was sich besonders in der Schaftaufnahme dieses Beiltyps als sehr schwierig erwiesen hat, wird die Schneide geschärft.
Hierzu nutzt man eine Sandsteinplatte und Wasser. Auf keinen Fall Sand als Schleifmittel verwenden, das spart zwar Zeit, aber es entstehen tiefe Kratzer.

fleischsalat 27.01.2014 19:42

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Wenn die Schneide scharf ist, geht’s ans Polieren.
Hierzu braucht man Holzasche, Wasser, Lederstück und einen Holzspan.
Das Wasser wird in die Asche gegossen und mit dem Span zu einer breiigen Masse verrührt.
Der Brei wird auf die Klinge aufgetragen und mit einem Leder verrieben.
Es dauert nicht lange und man bekommt einen schönen gleichmäßigen Glanz.

fleischsalat 27.01.2014 19:48

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Jetzt wird das Beil geschäftet. Dazu braucht man ein Knieholz, Dechsel und ein Messer.
Zuerst werden mit der Dechsel die kleinen Astansätze entfernt. Dann schält man mit dem Messer die Rinde ab.
Wenn der Schaft von der Rinde befreit ist, wird er oben und unten abgerundet. Für die groben Arbeiten kann man hier wieder die Dechsel nehmen, die Feinheiten werden mit dem Messer erledigt.

fleischsalat 27.01.2014 19:52

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Als nächstes zeichnet man sich die Länge der Klingenaufnahme an und kürzt den Schaft an der Stelle ein. Die Klingenaufnahme wird eingekerbt und an den Innenseiten angefast.
Zwischendurch sollte man immer mal schauen, ob die Klinge schon in die Aufnahme hineinpasst.

fleischsalat 27.01.2014 19:52

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Wenn sie dann einen festen Sitz hat, wird unten wieder ein kleiner Lederstreifen eingesetzt.
Die Schlagenergie wird zwar hauptsächlich von den Widerlagern abgefangen und nicht komplett, wie z.B. beim Randleistenbeil in den Nacken abgeleitet, aber um dem Beil ein bisschen mehr Langlebigkeit zu verschaffen, ist es sicher nicht verkehrt.
Dann werden die Innenseiten der Klingenaufnahme mit Birkenpech (http://schatzsucher.de/Foren/showthread.php?t=76794) bestrichen. Ein bisschen genügt, denn ansonsten drückt es beim Einpassen der Klinge heraus und versperrt der Wicklung den Weg.
Die Wicklung: Man weicht hierzu Leder oder Rohhaut in Wasser ein und wickelt es dann stramm herum. Wenn das Leder trocknet, zieht es sich zusammen und sorgt für zusätzlichen Halt.

fleischsalat 27.01.2014 20:02

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Jetzt fehlt nur noch eine kleine Sicherung/ Zugentlastung, die durch die Öse gezogen wird.
Fertig!

Gimbli 27.01.2014 20:07

Alle Achtung Jan,
eine sehr schöne Arbeit und sauber dokumentiert.:clap
Meine Hochachtung!

Gruß Michael

insurgent 27.01.2014 20:08

Großes Kino:clap

Vielen Dank fürs zeigen

chabbs 27.01.2014 20:30

Ich bin fertig.... Das Ding ist ein Meisterwerk!

Richtig gute Arbeit- danke für die detaillierten Ausführungen. :clap

fleischsalat 27.01.2014 20:35

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Hier noch ein paar Zahlen:

Eingesetztes Material: 920g
Gewicht nach Guss: 867,3g
Gewicht nach Entfernen des Gusstrichters: 527,1g
Gewicht fertige Klinge (Geschärft und poliert): 396g

Man Arbeitet also tatsächlich 130,6g ab, bis man ein gutes Resultat hat. Da sag noch mal einer, Schalenguss erfordert kaum Nachbearbeitung :rolleyes:

Gewicht Verlust (Aus Vorwärmofen): 34,3g

Von 18,4g Bronze fehlt jede Spur. Etwa 5g blieben als „Folie“ im Tiegel hängen, Wo der Rest ist? Hephaistos wird es wissen...:D


Und- so wie es bei der experimentellen Archäologie auch der Sinn ist- es gab wieder ein "Aha-Erlebnis":
Das Wetter. An den Tagen der Feinbearbeitung spielte es wieder eine wichtige Rolle. Wir hatten Samstag -10,5 und Sonntag -8 Grad. Beim Schärfen ist das Wasser auf der Steinplatte gefroren und das Pech wird auch extrem schnell hart (Was keinerlei Auswirkungen auf die Klebkraft hat).
Scheinbar war der Winter nicht die beste Jahreszeit, um sich mit der Herstellung und Bearbeitung von Bronze zu beschäftigen.
Da zieht man sich lieber ans wärmende Feuer zurück.

Die Bildqualität ist teilweise nicht die beste, das bitte ich zu entschuldigen.
Bei kurzen Tagen und miesem Wetter macht die Kamera halt nicht so wie sie soll.
Viele Bilder sind mit dem Licht eines Halogenstrahlers entstanden- Bis es plötzlich dunkler wurde.
Ich sag nur: Wärmendes Feuer:D

uglydigger 27.01.2014 20:51

Mir fehlen echt die Worte.
Supe Bericht Klasse Arbeit da wäre ich gerne dabei gewesen.
Gruß
Andy

Septimius 27.01.2014 21:06

Hut ab, gaanz tooll!!

Grubenmolch 27.01.2014 21:30

Zitat:

Zitat von fleischsalat (Beitrag 807124)
Hier noch ein paar Zahlen:

Eingesetztes Material: 920g
Gewicht nach Guss: 867,3g
Gewicht nach Entfernen des Gusstrichters: 527,1g
Gewicht fertige Klinge (Geschärft und poliert): 396g

Man Arbeitet also tatsächlich 130,6g ab, bis man ein gutes Resultat hat. Da sag noch mal einer, Schalenguss erfordert kaum Nachbearbeitung :rolleyes:

Gewicht Verlust (Aus Vorwärmofen): 34,3g

Von 18,4g Bronze fehlt jede Spur. Etwa 5g blieben als „Folie“ im Tiegel hängen, Wo der Rest ist? Hephaistos wird es wissen...:D

:suspekt: Nu fehlt nur noch die Angabe der Arbeitszeit am Werkstück!!! :D
Trotzdem:
:yeap :yeap :yeap
Bitte weiter so mit deiner Berichterstattung!
Gruß Grubenmolch.

fleischsalat 27.01.2014 21:36

Grob überschlagen 53-58h (Ohne den Bau der Form)


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