09.11.2001, 23:43 | #1 |
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Steinzeit-Artefakte finden und deuten
...für alle die sich auch mal auf die Suche machen wollen
Welche Materialien wurden verwendet ? Steinartefakte bestehen überwiegend aus Mineralien, zum Beispiel Feuerstein, Chalzedon, Quarzit, oder auch vulkanischem Glas. Diese wurde bevorzugt zur Herstellung von Steinwerkzeugen und Waffen verwendet, da es leicht spaltbar ist, und sehr scharfe Kanten ergibt. Doch es wurde auch in selteneren Fällen Gesteinsarten wie Basalt verwendet, schon in der Altsteinzeit für Faustkeile, jedoch nur wenn kein besseres Material verfügbar war, aber vor allem in der Jungsteinzeit wurde Felsgestein wie Basalt und Sandstein zur Herstellung von Mahlsteinen und Schleifwannen verwendet. Ein weiteres Material sind Flussgerölle wie Kieselschiefer und Flussquarzit, aber auch diese wurden nur bedingt verwendet, zum ersten springt Lydit nicht gut und ist auch recht weich, zum anderen sind die grossen Flussquarzite durch ihre grobe kristalline Struktur als Feinwerkzeuge ungeignet und wurden höchstens als Schlagsteine oder als jungsteinzeitliche Läufer verwendet. Wo kann man Steinartefakte finden ? Grundsätzlich überall. Es gibt jedoch bevorzugte Plätze der Steinzeitbevölkerung. Schlagplätze: Die wandernde Bevölkerung der Alt- und auch Mittelsteinzeit schlug ihre Steinzeitwerkzeuge überwiegend an Ort und Stelle, wo sie das Rohmaterial in der Natur fanden. So finden sich diese oft in Gegenden mit natürlichen Gesteinsvorkommen von Mineralien, wie Feuerstein, Chalzedon und Quarzit. Aber auch schon zu dieser Zeit wurde Rohmaterial mitgenommen und zum Teil auch gehandelt, so das steinzeitliche Schlagplätze überall zu finden sind, auch in Mineralarmen Gebieten. An solchen Plätzen finden sich meist nur Abfallprodukte und Rohlinge, wie Kernsteine, Abschläge, Klingen, Trümmer und Absplisse, aber auch dort blieb mal das ein oder andere fertige Werkzeug liegen. Artefakte finden sich gerne in Höhlen, unter Abris, erhöhten Landstellen und in Gewässernähe. Steinwerkzeuge: Finden sich überall vereinzelt. Es gibt jedoch auch regelrechte Ansammlungen. So wurden in der späten Altsteinzeit einfache kleine Jagdlager eingerichtet, die immer wieder aufgesucht wurden, meist in Gewässernähe mit der Möglichkeit zum Fischfang. An solchen Stellen finden sich oft viele der kleinen, typischen Steingeräte dieser Zeit, kleine Steinmesser, Schaber, Stichel und Bohrer. Siedlungen Ein ganz anderes Fundspektrum ist die Jungsteinzeit, mit ihrer sesshaften Bevölkerung. Hier finden sich Schlagplätze und Steinwerkzeuge innerhalb von Siedlungen, die für lange Zeit bewohnt wurden. Da seit Beginn dieser Zeit Ton als Werkstoff erkannt worden ist, finden sich auch Tonscherben, ein vorzüglicher Hinweiss auf eine solche Siedlung. Die Jungsteinzeit brachte auch gleichzeitig eine Revolution in der Gerätetechnik mit. So finden sich neben den schon aus der Altsteinzeit bekannten Geräten wie Schaber, Klingen, Stichel und Bohrer nun auch grosse geschliffene Steingeräte wie Beile und Dechsel, letztere sind eine Spezialität der frühen jungsteinzeitlichen Kultur der Bandkeramiker. Wie erkennt man Steinartefakte? Ein erster Hinweiss sind glasartige schwarze und bunte Steine, aber es gibt auch andere Steinsorten wie Quarzite. Zum einen lassen sich für den Laien Werkzeuge natürlich an der Form erkennen, eine Pfeilspitze, Speerspitze oder Steinbeil bedürfen sicher keiner Erklärung. Schwieriger wird es bei den kleineren Geräten und Abfällen. Der Abschlag: Einen Abschlag erkennt man an folgenden Merkmalen, 1 - Dem Bulbus, der Bulbus ist eine Beule and der oberen Kante des Steins 2 - Dem Negativ, auf der anderen Seite des Steins gegenüber des Bulbus ist oft eine Eintiefung zu sehen (An diese Eintiefung passt ein anderer Stein mit dem passenden Bulbus) 3 - Schlagnarbe, oft ensteht diese Narbe in der Nähe des Bulbus 4 - Schlagwellen, fühlbare linienartige Wellen die sich von oben nach unten auf dem Stein finden 4 - Strahlensprünge, das sind kleine strichartige Verletzungen im Gestein Dies trifft ebenfalls auf Klingen zu, nur das Klingen minstens doppelt so lang wie breit sind, auf der einen Seite den Bulbus haben, auf der anderen Seite jedoch kein volles Negativ, sondern zwei oder mehr Grate. Kernsteine: Von diesen Kernsteinen wurden die Abschläge und Klingen abgetrennt. Da auf den den Abschlägen nun der Bulbus entstanden ist, haben diese Kernsteine die passenden negativen Eindrücke. Ein Kernstein hat mehrere negative Eindrücke an der Oberkante, oder auch an mehreren Kanten. Kleingeräte: Wurden aus Abschlägen hergestellt, so gelten die gleichen Merkmale wie beim Abschlag. Zusätzlich sind diese jedoch nachträglich bearbeitet worden, die sogenannte Retusche. Diese kann sich flach gearbeitet an der Kante eines Abschlags oder Klinge befinden und diente zum schärfen des Steinstücks. Eine andere Form ist die steile Retusche, die eine glatte Fläche bringen sollte, zum Beispiel für Schaber. Wer nicht sicher ist, kann mit der Zunge über diese Stellen fahren, Retusche fühlt sich "zackig" an. Grundsätzlich gilt: Die Steinzeitbevölkerung ist gewandert, so finden sich Steinartefakte quasi überall, mal mehr oder weniger!!!!!! Einfach die Augen offen halten und mal alles einpacken was verdächtig aussieht, und einem Experten zeigen zum Beispiel den Leuten vom Landesamt, die freuen sich schon auf die bunt zusammengewürfelten (natürlich noch dreckigen ) Brocken. Ich hab etwas verdächtiges gefunden? Als rein damit ins Forum, ein Bild von dem Fundstück ist aber notwendig. Noch offene Fragen? Als her damit Viele Grüsse Grubenputzer Geändert von Jäger des feurigen Steins (10.11.2001 um 00:11 Uhr). |
10.11.2001, 00:30 | #2 |
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... da hätte ich doch beinahe ein sehr wichtiges
Fundspektrum vergessen Knochen & Horn wurden seit der jüngeren Altsteinzeit ebenfalls als Werkzeuge verwendet. Zum Beispiel wurden daraus Harpunen und Pfrieme hergestellt, und es finden sich schöne Hirschgeweihäxte der Jungsteinzeit, oder auch Armschutzplatten, zum Schutz der vom Bogen zurückschnellenden Sehne. Mit einem Hornstück wurde auch oft die Retusche angebracht. Allgemein finden sich solche Stücke sehr selten, da sie gegenüber dem Stein schnell verwittern. Ich hatte noch nicht das Glück, da in meinem Sammelgebiet der Boden keine organischen Stoffe auf lange Zeit erhalten kann... |
10.11.2001, 00:59 | #3 |
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... und Tonscherben gehören natürlich auch dazu!
Und zwar in der Jungsteinzeit wurde erstmals Ton als Material verwendet und gebrannt, die Zeitstellung liegt bei uns etwa bei 6000 v. Chr. Bandkeramiker/Körös, ist aber in Deutschland regional verschieden, global erst recht, da uns die antiken südlichen Völker weit vorraus waren. Wie erkenne ich jungsteinzeitliche Tonscherben? Das ist sehr schwierig und erfordert viel Erfahrung, denn nach der selben Methode wurde auch in der gesamten Vorgeschichte Ton gebrannt, in der Bronze- und Eisenzeit, manche Stücke können auch Fachleute nicht unterscheiden. Die Tongefäße (und damit auch Scherben) der Vorgeschichte sind handgemacht und weichgebrannt, und damit sehr empfindlich, in manchen Fällen kann man sie geradezu in der Hand zerreiben. (Auf der Drehscheibe hergestellte Gefäße kamen erst in der keltischen Zeit auf, finden sich aber nur sehr gering, auch dort wurde meist per Hand gearbeitet, erst die Römer stellten ihre Gefäße überwiegend machinell her, dabei entstehen die typischen Rillen auf der Innenseite, diese Tongefäße wurden auch hartgebrannt und sind unverwechselbar mit dem vorgeschichtlichen Typ). Aber auch in der Jungsteinzeit, wurden Tongefäße zum Teil hartgebrannnt, dies konnte ich bisher nur bei der Bandkeramik beobachten. Wie denn jetzt unterscheiden??? Je älter die Scherben, desto mehr kleine Kieselsteine finden sich darin (Jedenfalls ist das meine Erfahrung) und sind sehr grob gearbeitet. Noch sind wir kein Stück weiter Bei ganzen Gefäßen kann man das Alter natürlich meist allein schon an der Form erkennen. Das einzige was uns bei Tonscherben aber wirklich weiterbringt, sind Verzierungen! So verwendete jede Generation ihre eigenen Muster, erwähnt seien die Bandverzierungen der Bandkeramiker die Sticheindrücke der mittleren Jungsteinzeit und die Schnureindrücke der Schnurkeramiker in der späten Jungsteinzeit. Ansonsten sind Unterschiede in der Keramik meist so gering, das nur das jahrelang trainierte Fachauge den Unterschied erkennt. Auch hier gilt, bei Verdacht einfach mal mitnehmen und einem Experten zeigem, z.B. beim Landesamt... |
10.11.2001, 10:08 | #4 |
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Da hast Du Dir aber ganz grosse Mühe gegeben! Super!
Finde ich sehr schön, dass Du auch 'Steinzeit-Laien', wie mich damit die Chance gibst, etwas dazuzulernen! Denn ich habe mich ja bisher nur am Rande mit der Steinzeit beschäftigt und auch nur mehr mit der chemischen Zusammensetzung der Acate, Cahlcedone, etc.....Die Verbindung zur Historie und damaligen Verwendung in diesem Rahmen, macht diese Mineralien im ideellen Sinne damit um so wertvoller!! Ich werde mich dafür gerne in Kürze mit einem ausführlichen Beitrag über Bernstein revanchieren....Muss aber erst einmal in den älteren Beiträgen von mir nachschauen..nicht dass ich da was Doppeltes schreibe...
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10.11.2001, 13:14 | #5 |
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... "Bernstein"
hab ich auch vergessen Allerdings wurden daraus natürlich keine Werkzeuge sondern Schmuck hergestellt, das Mammut hätte sich köstlich amüsiert währen die Steinzeitjäger mit Bernsteinspeerspitzen auf sie los gegangen. "dafür gerne in Kürze mit einem ausführlichen Beitrag über Bernstein" Super, will dann hier auch gar nicht mehr schreiben, ist auch nicht mein Fachgebiet, ich neige auch mehr dazu mir Bernstein in Geschäften zu kaufen, als es selber zu suchen, denn so sind zum Beispiel die Strände an der Ostsee dermassen mit Touristen verseucht, das es dort überhaupt nichts bringt Viele Grüsse Markus Geändert von Jäger des feurigen Steins (10.11.2001 um 15:32 Uhr). |
10.11.2001, 19:46 | #6 |
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'...Teil 1 über Bernstein ist jetzt fertig und in diesem Forum nachzulesen...
Viel Spass! Gruss Peter
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10.11.2001, 20:19 | #7 |
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Hallo Marcus
Super Beitrag zum Thema Steinzeit. Das Interessiert mich auch. Leider bin ich auf diesem Gebiet Laie. Alte Keramik und Töpfereien habe ich auch schon gefunden. Ich kann sie aber leider nicht zeitlich zuordnen, weil mir da die Erfahrung und das entsprechende Buchmaterial fehlt. Gerne lese ich weitere Berichte dieser Art von Dir. By Harry:cool:
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Glück Auf! Harry Nur die Harten kommen in den Garten! Und ich bin der Gärtner Harry hat uns am 4.2.2009 nach schwerer Krankheit für immer verlassen. In stillem Gedenken, das SDE-Team |
10.11.2001, 21:32 | #8 |
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Hallo Harry,
ich finde wir drei ergänzen uns hier einfach fantastisch du als Experte für Fossilien, Peter (McSchürf) für Mineralien und ich für die Vorgeschichte, da haben wir drei der wichtigsten Forschungsgebiete und können uns gegenseitig ergänzen, klasse Wenn du einmal nicht sicher bei einem Steinartefakt bist, anhand eines Bildes kann ich dir da bei der Deutung helfen, bei Tonscherben ist es leider nicht so einfach, da es dabei viele Feinheiten zu beachten gibt, eine grobe Datierung müsste aber auch per Foto gehen. Viele Grüsse Markus |
11.11.2001, 00:52 | #9 |
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'......du als Experte für Fossilien, Peter (McSchürf) für Mineralien
und ich für die Vorgeschichte, da haben wir drei der wichtigsten Forschungsgebiete und können uns gegenseitig ergänzen, klasse....' Das finde ich auch...!
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12.11.2001, 15:56 | #10 |
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Erklärung eines Abschlags
... ich hab ein schönes Bild gefunden, das ein typisches
steinzeitliches Abfallprodukt umschreibt, den Abschlag: a - die Schlagfläche b - der Schlagkegel c - der Bulbus (Die Beule, rechts schön zu sehen) d - die Schlagnarbe e - die Strahlensprünge f - die Schlagwellen Es muss nicht zwingend alles vorhanden sein, es kommen sogar Stücke ohne den Bulbus vor. Ist so ein Stück noch dazu retuschiert, ist es ein Werkzeug... |