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Alt 20.01.2013, 19:08   #1
fleischsalat
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Exclamation Bronzeguss- Verlorene Form

Hier seht ihr eine noch heute gebräuchliche Form beim Bronzegießen, den Guss in verlorener Form.
Verlorene Form bedeutet, dass die Form kein zweites Mal verwendet werden kann.
Dieses Gussverfahren ist auch unter dem Namen Wachsausschmelzverfahren bekannt.
Die Idee basiert darauf, dass zuerst ein Wachmodell des gewünschten Gegenstandes hergestellt wird. Das Wachmodell wird dann mit Ton ummantelt und nach dem Trocknen gebrannt.
Beim Brennen fließt das Wachs aus und hinterlässt ein Negativ im Ton, dass dann mit flüssiger Bronze ausgegossen wird.
Nach dem Erkalten der Gussspeise wird die Form aus Ton oder Lehm zerschlagen, um an das Gussstück zu kommen. Daher „Verlorene Form“.
Bei diesem Verfahren ist es möglich, komplizierte und facettenreiche Gussstücke herzustellen, ohne dass man hinterher viel Nacharbeit hat.

Nun aber zu den einzelnen Arbeitsschritten:

Man benötigt Bienenwachs und, da ja noch keine Metallwerkzeuge zur Verfügung stehen, eine Feuersteinklinge.
Man reißt die Kontur des gewünschten Gegenstandes an und beginnt damit, sie aus dem Wachsblock herauszuarbeiten.

Auf den Bildern seht ihr ein Randleistenbeil, einen Tüllenhammer, 2 Meißel und eine Pfeilspitze.
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Alt 20.01.2013, 19:11   #2
fleischsalat
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Wenn das Wachsmodell fertig ist, benötigt man Wachsstangen. Diese Wachsstangen werden über einer Flamme erwärmt und an das Wachsmodell geklebt. Die Wachsstangen sorgen dafür, dass nach dem Ausschmelzen des Wachses kleine Luftkanäle im Ton übrigbleiben, durch die Gase und Luft beim Gießen entweichen können. Mit dieser „technischen Besonderheit“ sollen Luftblasen im Gussstück verhindert werden. Luftblasen schwächen das Metallgefüge.

Sobald die Wachstangen und ein kleiner Eingusskanal aus Wachs an dem Modell angebracht sind, beginnt man damit, das Modell mit Ton zu bekleben. Zuerst nur eine dünne Schicht.
Nachdem diese getrocknet ist, legt man eine zweite Schicht auf. Hierbei macht es Sinn, sie mit Grus und Tierhaaren (In diesem Fall Pferdehaare) zu magern. Nachdem der Ton getrocknet ist, verstärken die Haare die Form wie ein Vlies.
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Alt 20.01.2013, 19:12   #3
fleischsalat
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Natürlich muss für das Trocknen der Form eine längere Wartezeit (etwa 2 Wochen) eingeplant werden. Was zu frühes Brennen der Form zur Folge hat, seht ihr auf den Bilden.
Im Profil seht ihr den Hohlraum, den das Wachs hinterlassen hat (Natürlich etwas „schrappig“, da die Form beim Zersägen nicht mehr intakt war...)
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Alt 20.01.2013, 21:53   #4
oliver.bohm
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Hi Jan...,
Ist es erwiesen.., das man damals Luftkanäle verwendet hat..?

Ich stelle es mir recht müsam vor, mit den damaligen Mitten die Gußäste zu entfernen...
oliver.bohm ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2013, 22:03   #5
fleischsalat
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Zitat:
Zitat von oliver.bohm Beitrag anzeigen
Hi Jan...,
Ist es erwiesen.., das man damals Luftkanäle verwendet hat..?
Ja ist es.

Zitat:
Zitat von oliver.bohm Beitrag anzeigen
Ich stelle es mir recht müsam vor, mit den damaligen Mitten die Gußäste zu entfernen...
Glaub ich gar nicht. Gut, bisher fehlen dazu noch hilfreiche Werkzeuge, aber durch Abknicken und Schleifen sollte das Problem gut in den Griff zu bekommen sein.
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Alt 21.01.2013, 10:52   #6
NordSchorsch
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Hat man nicht statt wachs auf Tierfett nutzen können, Bienenwachs war, soweit ich weiß, sehr wertvoll?
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Alt 21.01.2013, 11:27   #7
Wolfo
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Zitat:
Zitat von NordSchorsch Beitrag anzeigen
Hat man nicht statt wachs auf Tierfett nutzen können, Bienenwachs war, soweit ich weiß, sehr wertvoll?
Unschlitt hat keine ausreichende Stabilität, außerdem dürfen keine Reste in der Form verbleiben ;-)
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Alt 06.03.2014, 19:12   #8
fleischsalat
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Zeit für ein kleines Update:

So hundertprozentig will es noch nicht funktionieren, aber:
Beim Formenbau habe ich einen guten Fortschritt gemacht. Nach einer nicht enden wollenden Reihe von Fehlversuchen scheint nun der richtige Formstoff, vor allem mit der nötigen Stabilität, gefunden zu sein.
Er kann noch nass gebrannt werden, sollte jedoch beim Gießen vorgewärmt sein und: Die Gussspeise kühlt in der Form nur sehr langsam aus (Geringste Schrumpfungsschwindung). 15 Minuten nach dem Gießen lag die Temperatur in der Form noch bei knapp 900 Grad- und da war sie schon längst aus dem Feuer

- Die Risse sind allesamt nicht durchgängig, die Schrumpfung beim Trocknen
liegt etwas unter 1%!

- Trotz Rissen hält die Form locker den Guss aus.

Mal sehen, was noch damit geht...

Im Anhang noch ein paar Bilder einer aufgesägten Form.
Der "Riss" im Bereich des eingusstrichters stammt nicht vom Brennen oder gießen, sondern ist ein simpler Baufehler- dort ist einfach nicht genug der Formmasse hingekommen.
Man sieht schön, in welchem Bereich die Form richtig Feuer bekommen hat (Windeintritt beim Vorwärmofen).
Die Form ist nach dem Brennen übrigens Federleicht.

Was da jetzt alles drin ist? Sag ich nicht!

Es ist in der Zusammensetzung der Materialien auf jeden Fall zeitgenössisch, aber was zu welchem Anteil... Nööö...
Das Herausfinden hat in etwa 1 Jahr gedauert. Zwar nicht in Vollzeit, aber da steckt schon einiges an Arbeit drin...
Ich kann ja auch nicht alles Wissen mit Euch teilen
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Geändert von fleischsalat (06.03.2014 um 20:23 Uhr).
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