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Alt 10.10.2010, 13:53   #1
sheepybird
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Die Geschichte der Grubenpferde im Ruhrgebiet

Geschichte der Grubenpferde

Der Einsatz von Pferden im deutschen Bergbau begann (im Ruhrgebiet) 1853, um das unrentable Befördern der Kohlenwagen durch Bergleute zu ersetzen. 1882 waren im Bereich Dortmund schon 2200 Pferde im Einsatz, die 15000 "Förderleute" ersetzten. 1913 waren es 8000 Pferde in diesem Gebiet und in ganz Preussen 11700.
Durch die Mechanisierung in Bergbau ging die Zahl dann zurück auf 3700 im Jahre 1920, 1600 im Jahr 1933, 1000 im Jahr 1942 und 500 im Jahr 1952 (alle Zahlen für den Oberbergamtsbezirk Dortmund).
Im Jahre 1963 arbeiteten in der ganzen BRD noch 30 Grubenpferde, und 1966 verliess das letzte Pferd ("Tobias") die Schachtanlage General Blumenthal in Recklinghausen .

In Deutschland wurden fast ausschliesslich Pferde eingesetzt, Versuche mit Maultieren in Oberhausen und Eseln in Dortmund waren nicht erfolgreich. Zunächst wurden schottische Ponys eingesetzt (wegen der geringen Querschnitte der Stollen), die aber schwer zu beschaffen und nicht leisstungsstark genug waren.
Nachdem die Förderstollen erweitert worden waren, konnten Pferde von 500 bis 700 kg Gewicht und 155 bis 165 cm Stockmass eingesetzt werden, zunachst Kreuzungen von Ardenner und Litauer Pferden und in neuerer Zeit vermehrt Fjordpferde.
Die Pferde gehörten meist nicht den Bergwerken, sondern spezialisierten Firmen, die auch Futter, Geschirre, Decken und sonstiges Zubehör lieferten. Die Bergwerke stellten Personal, Stallungen, Einstreu, Wasser und Hufbeschlag.
Aufgabe war das Ziehen der beladenen und leeren Förderwagen von den Abbaustellen zum Schacht und zurück, in der Regel 400 bis 1500 m. Bei einer 8-Stunden-Schicht wurde mit einer Leistung von 35 bis 50 Tonnenkilometern gerechnet.
Als Futtermenge bekamen die Pferde täglich 10 kg Hafer, 3 kg Luzerneheu, 3 kg Stroh und als Brot verbackenes Melassefutter. Die Pferdeställe unter Tage waren 2 bis 3 Meter hoch und und 4 Meter tief. Jeder Ständer hatte eien Breite von 140 bis 160 cm. Das Trinkwasser (16 bis 24 l pro Tag) wurde von der Oberfläche nach unten geschafft (das Wasser im Bergwerk ist stark mit Mineralien verunreinigt).

Erstaunlicherweise wurde die bei Bergleuten häufige "Steinstaublunge" bei Pferden nicht festgestellt. Häufige Krankheitsursachen waren Verletzungen (durch Anstossen in den beengten Stollen), Wundreiben am Geschirr bei den hohen Temperaturen und Hufkrankheiten/Hautentzündungen durch die stark salzhaltigen Wasser unter Tage.

Durch die jähen Temperaturwechsel in den Stollen (von 30 Grad an den Förderstellen zu 0 Grad im Winter am Schacht) waren Dämpfigkeit und Augenschäden (Linsen- und Glaskörpertrübungen) häufig. Um die Jahrhundertwende hatten 90% aller Grubenpferde Augenleiden, davon 10% beidseitig. Etwas ein Drittel der Pferde verlor während der Dienstzeit ein oder beide Augen durch mechanische Verletzungen.

Die durchschnittliche Gebrauchsdauer der Grubenpferde lag bei vier bis sechs Jahren.

(http://home.arcor.de/lutz.massonne/massonne2/mine_g.htm)

Seinen Höhepunkt erreichte der Pferdeeinsatz im Untertagebetrieb 1910 mit 8.384 Tieren im Bezirk des Oberbergamtes Dortmund. Nach dem Ersten Weltkrieg ging ihre Zahl mit der einsetzenden Mechanisierung allmählich zurück. Lokomotiven und Förderbänder lösten das Pferd in der Streckenförderung ab. 1950 gab es noch 550 Grubenpferde im Oberbergamtsbezirk. Auf "Zollern II/IV" ging mit Nurmi 1953 das letzte Grubenpferd in den Ruhestand.

Arbeiten und Leben unter Tage
Grubenpferde gehörten nicht den Zechen, sondern waren Eigentum von Pferdeverleihfirmen, die auch das Futter, Geschirr, Decken und sonstiges Zubehör lieferten. Nach der Anlieferung ging es mit dem Förderkorb unter Tage. Wie lange die Pferde dort blieben, war sehr unterschiedlich. Während es auf den kleinen Stollenzechen kein Problem bereitete, die Pferde täglich auf die Weide zurück zu führen, blieben die vierbeinigen Schlepper auf den großen Schachtanlagen monatelang, manchmal auch jahrelang unter Tage. "Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wäre der logistische Aufwand, Dutzende von Pferden täglich oder wöchentlich ans Tageslicht zu bringen, zu groß gewesen", erklärt die Historikerin Dr. Anne Kugler-Mühlhofer, die die Ausstellung mit erarbeitet hat.

Im Stall unter Tage erholte sich das Grubenpferd von den Strapazen der Schicht. Hier wurde das Tier gestriegelt und gepflegt. In regelmäßigen Abständen kamen Schmied und Tierarzt. Zu den häufigsten Krankheiten zählten Verletzungen der Hufe durch Feuchtigkeit oder scharfe Metallteile und Verdauungsstörungen. Außerdem verletzten sich die Tiere in den oft engen Streckenquerschnitten leicht an Kopf und Flanken, so dass ihr Körper bald mit Narben und Schwielen übersät war.

Erst seit den 1930er Jahren erregten die Arbeits- und Lebensbedingungen der Grubenpferde die Aufmerksamkeit des internationalen Tierschutzes. Gilhaus: "Durch Kampagnen versuchte man, Arbeitsbedingungen und Pflege der Tiere zu verbessern und forderte, auf die Arbeitskraft der Pferde zugunsten von technischen Transportmöglichkeiten ganz zu verzichten."
Betriebstechnisch galt das Grubenpferd als "Schlepper" und wurde auf den Schichtenzetteln auch so geführt. Seine Aufgabe war es, die beladenen und leeren Förderwagen von den Abbaustellen zum Schacht und zurück zu ziehen. Neben der Kohle beförderten die Tiere auch sämtliches Material für den Untertagebetrieb - oft in Doppelschichten. Ihre 400 bis 1500 Meter lange Strecke kannten die vierbeinigen Schlepper zwar "blind". Dass die meisten Grubenpferde in der ewigen Nacht unter Tage ihr Augenlicht verloren, ist aber ein falsch. Ulrike Gilhaus: "Zur Hochzeit des Pferdeeinsatzes gab es auf den Strecken und in den Ställen schon elektrisches Licht. Die Tiere lebten also nicht in vollständiger Dunkelheit."


Mythos Grubenpferd

Unmittelbarer Kamerad des Pferdes war oft ein sehr junger Bergmann. Anne Kugler-Mühlhofer: "Wer aus der Landwirtschaft kam oder mit Tieren umgehen konnte, bekam vom Steiger die Arbeit des Pferdeführers zugewiesen. Eine Anlernzeit gab es nicht." Die Menschen identifizierten sich stark mit ihren vierbeinigen Kameraden, deshalb entwickelte sich zwischen Mann und Pferd häufig eine enge Beziehung. Die schwere tägliche Anstrengung der Tiere beim Schleppen, vor allem aber ihr Dasein in der Dunkelheit und ihr eintöniges Leben in dem unnatürlichen Lebensraum erregten Mitgefühl und weckten Hilfsbereitschaft. Viele Bergleute verwöhnten ihre Tiere deshalb mit Leckereien.

Seit den 1930er Jahren widmeten Bergleute verstorbenen Grubenpferden symbolische Grabsteine, schrieben Bücher und Gedichte, schnitzten oder malten nach Feierabend Abbilder ihrer tierischen Kameraden. Später belegen viele Fotos der jeweils letzten Vierbeiner, dass man überall wehmütig Abschied nahm und sich bewusst war: mit Laudan, Otto, Castor, Nurmi, Wachtel, Emma und Tobias ging eine Ära zu Ende.

(http://www.lwl.org/pressemitteilunge...hp?urlID=14827)


Das Grubenpferd im rheinisch - westfälischem Bergrevier PDF
(http://www.ruhr-uni-bochum.de/.../Th...rubenpferd.pdf)
siehe Anhang !

Die Geschichte der Grubenpferde PDF
(www.rrf-online.de/referenz/grubenpferde.pdf)
siehe Anhang !

Firma Bischoff Pferdeverleih (Grubenpferde )
http://www.ge-buer.com/pferdeinbuer/...erde/index.htm

Buchtipp:Kumpel auf vier Beinen.Grubenpferde im Ruhrbergbau
http://www.amazon.de/Kumpel-vier-Bei...6711767&sr=8-1

Ich habe in meiner Zeit als Bergmann noch viele Pferdeställe gesehen.
Dieses Thema hat mich immer sehr fasziniert.
Angehängte Dateien
Dateityp: pdf Theegarten_Grubenpferd.pdf‎ (799.2 KB, 7x aufgerufen)
Dateityp: pdf grubenpferde.pdf‎ (351.4 KB, 7x aufgerufen)
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Hausfrauentip #21 : Salat schmeckt viel besser wenn er kurz vor dem servieren durch Steaks ersetzt wird.



AVRI*SACRA*FAMES
quid non mortalia pectora cogis, auri sacra fames (?Wozu treibst du nicht die Herzen der Menschen, verfluchter Hunger nach Gold!?)

Geändert von sheepybird (10.10.2010 um 13:59 Uhr).
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Alt 10.10.2010, 21:30   #2
blackcat
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Wow, hätte nie gedacht das so viele Tiere zum Einsatz kamen..
Wahnsinn auch wenn man sich die Hafermenge durch den Kopf gehen lässt, ein Hochleistungspferd braucht ungefähr gerade mal fünf Kilo am Tag, einem Freizeitpferd reichen sogar nur sein Gras und Heu..

Super das den Tieren so viel Anerkennung und Dankbarkeit wenigstens von den Pflegern, Kumpeln und Kameraden entgegengebracht wurden und sie herzlich und liebevoll Abschied von den Pferden nahmen..

Danke sheepybird für diesen interessanten Beitrag, mich als Tier und Pferdefreund bewegt sowas sehr..
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Was helfen Menschen, die einem zeigen, wie schön die Welt ist, wenn man selber es nicht bemerkt..
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Alt 11.10.2010, 21:22   #3
Profitaenzer
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Wie gewohnt hervorragend recherchiert!

Danke fuer diesen fundierten Bericht. Das macht es aus, warum ich dieses Forum so wertschaetze.

Gruss aus dem Allgaeu


/Chris
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...ne Huelse ist auch was wert
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Alt 12.10.2010, 19:31   #4
Deistergeist
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Thumbs up

Herzlichen Dank!

Grubenpferde sind für viele Bergwerks-Besucher ein interessantes Thema, da wird oft nachgefragt...

Glückauf! Thomas
__________________
"The Man Who Saved the World" -S. J. Petrow-

Queen. Their classic line-up was Freddie Mercury (lead vocals, piano), Brian May (guitar, vocals), Roger Taylor (drums, vocals) and John Deacon (bass).
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