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Alt 12.01.2021, 21:19   #59
luckychris 21
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Kriegsende vor 70 Jahren - Teil 3: Vormarsch ins Flotwedel

Kriegsende vor 70 Jahren - Teil 3: 13. April 1945
Vormarsch ins Flotwedel – Kämpfe bei Wathlingen und Oppershausen – „Wienhausen im Kreuzfeuer “ – Allerbrücke bei Schwachhausen. Von Hendrik Altmann

Der 13. April 1945 war ein Freitag. Tags zuvor war es den US-Truppen gelungen, wichtige Allerbrücken bei Ettenbüttel und Müden im Kreis Gifhorn, sowie in Schwachhausen einzunehmen. Die Flussläufe im Landkreis waren die letzten wirklichen Hindernisse für die vorrückenden Alliierten und so wurden selbst kleinere Brücken zur Sprengung vorbereitet. Auch die Fuhsebrücke in Wathlingen wurde gesprengt. Der Kommentar eines Wehrmachtsoffiziers lautete: „Die Amerikaner sind über den Rhein gekommen – sie werden auch über die Fuhse kommen, aber der Befehl muss befolgt werden.“ Allerdings konnte der alliierte Vormarsch durch diese Maßnahme nur für wenige Stunden aufgehalten werden.

Am 12. April war das 333. Infanterie Regiment in Wienhausen einmarschiert. Die Allerbrücke in Richtung Oppershausen war gesprengt worden und heftige, langanhaltende Kämpfe waren entbrannt. Nachdem die Brücke nicht mehr passierbar war, stießen Teile des 3. Bataillons unter Captain Bradford zu Fuss nach Oppershausen vor. Die Deutschen, welche den Ort besetzt hielten, schossen mit Panzerfäusten und warfen Handgranaten auf die anrückenden Amerikaner, von denen mindestens drei Soldaten fielen. Erst nachdem Oppershausen mit Mörsern und Phosphorgranaten eingedeckt wurde, konnten die deutschen Verteidiger ausgeschaltet oder vertrieben werden. Schlimme Szenen spielten sich ab: während Dorfbewohner in den brennenden Ruinen nach Angehörigen suchten, schossen deutsche Scharfschützen auf die US-Truppen, welche das Feuer erwiderten. Das 334. Infanterie Regiment war am 12. April bis nach Langlingen gekommen. Während die anderen Bataillone es weiter östlich schafften, intakte Allerübergänge zu sichern, saß das 3. Bataillon des 334. Infanterie Regiments in Langlingen fest. Luise Mylius erinnerte sich im Gespräch mit Hannah Fuess daran, wie an diesem Tag rund 70 US Fahrzeuge und ca. 150 Soldaten in den Ort kamen. Die Allerbrücke war jedoch bereits gesprengt worden. Die US Einheit sollte sich deshalb am 13. April weiter westlich fortbewegen und bei Schwachhausen über die Aller gelangen. Die Brücke dort war bereits am 12. April gesichert worden und war nunmehr die einzige intakte und tragende Brücke zwischen Celle und Müden.

Der Landstraße in Richtung Offensen folgend errichte das 1. Bataillon am Vormittag des 13. April die Brücke über den schmalen Mühlenkanal, und abermals stoppte der Vormarsch. Selbst diese kleine Brücke war gesprengt worden, sodass sie für die Fahrzeuge unpassierbar war. Während die US Pioniere versuchten, die Brücke notbehelfsmäßig herzurichten, wurden Patrouillen ins angrenzende Langlinger Holz entsandt. Die „K“-Kompanie geriet im Wald südlich in deutsches Infanteriefeuer. Laut den Militärberichten vermeldeten die US Soldaten später, es hätten sich etwa 100 deutsche Soldaten, zahlreiche Halbkettenfahrzeuge sowie einige Panzer im Wald befunden.

Es war die SS-Kampfgruppe Wiking, welche einige Tage zuvor bereits in Hannover auf Teile der 84. Infanterie Division gestoßen war. Sie hatten sich mit ihren schweren Jagdpanthern und Fahrzeugen im Wald bei Sandlingen versteckt. Vermutlich suchten sie ebenfalls eine Möglichkeit die Aller zu überqueren. Dies gestaltete sich jedoch bereits am Vormittag des 13. April recht kompliziert, da die Brücken entweder bereits in amerikanischer Hand waren, oder gesprengt worden waren. Die SS-Einheit, hätte ihrem Plan folgend, in östliche Richtung vorgehen müssen. Im Wald war die Feuerkraft ihrer 8,8 cm Kanonen jedenfalls recht wirkungslos und so entschied Hauptsturmführer Nikolussi-Leck den Ausbruch in nordwestliche Richtung.

Ausgerechnet in diesem Moment führte das 325. Field Artillery Bataillon einen Stellungswechsel aus. Es sollte, unter Deckung des 909. Field Artillery Bataillon über Offensen in Richtung Nordburg vorstoßen. Sicherlich rechnete niemand damit, dass ein schwerer deutscher Panzerverband diesen Stellungswechsel gefährden könnte. Die deutschen Jagdpanther hatten auf der freien Flur kurz vor Wienhausen leichtes Spiel: drei Lastwagen, ein Jeep und ein Transporter des 325. Field Artillery Bataillon wurden abgeschossen. Die U.S. Truppen in Wienhausen eröffneten unmittelbar das Feuer auf die Deutschen, welche sich nun südlich von Wienhausen entlang der Bahnlinie fortbewegten. Auf US Seite nahm man an, die Deutschen würden Wienhausen zurückerobern wollen – entsprechende Verbände gingen also in Verteidigungsposition. Die Lage der Kampfgruppe Wiking hatte sich damit weiterhin verschlechtert.

Die SS-Einheit umfuhr Wienhausen und erreichte auf Teilen des alten Postweges den Ort Bockelskamp. Hier gab es zwar keine Allerbrücke – wohl aber eine Furt, die durch den, einst noch nicht begradigten Flusslauf, auf die Osterloher Allerseite führte. Aus seinen Erinnerungen berichtete SS-Untersturmführer Karl Jauss nach dem Kriegsende über die Flussüberquerung. Unter fortwährendem Beschuss der US Truppen gelang es schließlich, alle Panzer und den Großteil der Fahrzeuge und Mannschaften auf die nördliche Allerseite zu bringen. Man war den Alliierten erneut entkommen. Der Bockelskämper Lehrer Bernhard Otte und der Landwirt Emil Scheele trugen die Ereignisse in ihrem Bericht „Bockelskamp in schwersten Tagen zusammen“. Sie schilderten auch, wie am 13. April sieben schwere „Tiger“ Panzer aus dem Sundern bei Wienhausen auf den Ort zurollten. Dabei handelte es sich zwar nicht wirklich um Panzer des Typs Tiger – aber es spielte wohl für die Überraschung der Dorfbewohner in diesem Moment eine nachrangige Rolle, dass es sich um die sieben Jagdpanther der Kampfgruppe Wiking handelte. Auch in den nächsten Tagen sollten diese Stahlkolosse nochmals für Aufsehen in der Region sorgen.

Während der östliche Teil des Landkreises in der Vormarschstrecke der US Truppen befand, lag der westliche Teil, sowie Celle selbst, im Vormarschkorridor der britischen Streitkräfte. Diese lieferten sich am 13. April noch immer schwere Kämpfe mit deutschen Verbänden im Ostenholzer Moor. Celle war bereits – mit einigen Ausnahmen weitgehend kampflos eingenommen worden. Die Kampfhandlungen im westlichen Teil des Landreises wurden u.a. in „Krieg in der Heimat“ von Ulrich Saft untersucht.

Insgesamt bedeute der 13. April für viele Ortschaften im Landkreis Celle das Ende des Zweiten Weltkrieges. Teilen der 84. US Infanterie Division gelang es bereits an diesem Tag, große Geländegewinne in Richtung der Elbe zu verbuchen. Allerdings unter dem Opfer, dass die rückwärtigen Gebiete nur unzureichend gesichert werden konnten. Dazu mehr im vierten und letzten Beitrag dieser Reihe.

Quelle: https://celleheute.de/kriegsende-vor...-ins-flotwedel
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