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Alt 23.07.2022, 00:08   #994
2augen1nase
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MEIN Weltbild stimmt nicht?!

Also - zugegeben: Ich habe keine Ahnung wie es in so einem Amt abläuft und ganz gewiss wird es auch da extrem nervtötende Dinge geben, an die man sich gewöhnen muss und auch ganz viel, in was man sich einfügen muss - was mir ganz sicher auch nicht leicht fallen wird.

Aber: Ich kenne dort Leute, die dürfen 2 Monate für einen Antrag brauchen - und die brauchen Sie. Immer. Prinzipiell. Weil´s eben so ist und auch so sein darf. Ich kenne aber auch das genaue Gegenteil: richtig engagierte und tolle Leute, die genau wissen was sie tun, gute Ideen haben UND umsetzen UND auch zeitnah liefern / sich kümmern - und obendrein auch supernett sind.

Ich sehe da folgendes: es ist völlig egal ob du dort nen guten Tag hast oder nicht, ob du bummelst oder dich engagierst - am Ende geht eben beides und vermutlich ist es dort auch völlig ok mal so oder mal anders unterwegs zu sein.

Mit anderen Worten: es kommt wohl sehr auf einen selbst an, was man daraus macht. Und ich kenne mich und gaube nicht, dass ich mein Engagement und mein Interesse verlieren und nur noch Dienst nach Vorschrift machen würde, dafür bin ich einfach nicht der Typ Mensch.

Und wenn es einem irgendwann doch mal auf den Keks gehen sollte und man feststellt, dass es nix für einen ist: zurück geht ja immer. Genau so wie ein Wechsel. Aber ich vermute: man wird sich da schon einrichten können.


Und zu meiner Realität (!) als Selbständiger:

Ich stehe mit Corona Erkrankung über Ostern auf der Baustelle um fertig zu werden, auch weil ich die Kohle brauche. Ich sitze nach einem vollen Arbeitstag nochmal 4 Stunden im Büro, nur um Schriftstücke zu verfassen, die eigentlich unnötig sind, wenn die Bauleitung / Planung funktionieren würde - und mache damit gleichzeitg kostenfrei eine Zuarbeit. Dafür werde ich am Ende noch böse angegangen. Genauso wie ich böse angegangen werde, wenn ich "mal eben fix" was anfertigen soll und die "Frechheit" besitze, nach 3 Tagen Fertigung mal nachzufragen, wann der schriftliche Auftrag eingeht. Ich werde auf die Baustelle zitiert ("Sie können loslegen, es ist alles frei") nur um dann mit gepacktem Auto dort anzukommen und festzustellen, dass dem eben nicht so ist und sich alles ins Ungewisse verschiebt. Ich habe den letzten Urlaub vor mittlerweile 7 Jahren gemacht. Ich habe noch NIE am eigenen Haus mal länger als 3-4 Tage am Stück arbeiten können. Ich stehe mit Erkältung im Winter auf der Baustelle um Stücke zu versetzen, obwohl es die Temperaturen eigentlich nicht hergeben. Ich bin als Solo-Selbständiger in der Gesellschaft der letzte Dreck: zuletzt in der Corona-Pandemie vergessen, die Werkstatt wurde mir ersatzlos von der Politik kaputt gemacht, die Banken interessieren sich ein Scheiß für dich und wenn ein Kunde nicht bezahlt, ist das ein riesengroßes Problem. Jedes Mal vorm langen Winter zittern, weil da "saure Gurken Zeit" ist und im Frühjahr wieder bei Null oder gar im Minus loslegen und Projekte vorfinanzieren - in der Hoffnung das Geld auch zu bekommen. Im Herbst generell Stress und zwar immer genau dann, wenn das Wetter richtig mistig wird.

UND: ES IST VÖLLIG AUSSICHTSLOS DASS DA IN ABSEHBARER ZEIT MAL EINER AUF DEM HOF STEHT DER SAGT: "ICH BIN DEIN MANN - FÜR DICH WILL ICH ARBEITEN UND ICH BIN EIN GUTER STEINMETZ"

Ich hab neulich ein Infoschreiben von der Rentenkasse bekommen - und ich hab noch volle 30 jahre (!!!) zu ackern, bis ich in Rente gehen kann. Ich laufe seit Monaten mit einer kaputten Schulter herum, habe häufig mit dem Rücken zu tun und absolut keine Perspektive, dass sich das (z.B. mit einem guten Helfer) mal deutlich verbessert. Gleichzeitig werden die Aufgaben immer größer, weil gute Leute fehlen.

Und: es wird in jedweder Hinsicht immer schlimmer auf dem Bau...

Keine Frage - die Freiheit in Leerlaufzeiten sein eigenes Ding zu machen gibts als Angesteller nicht - da gibts keine Leerlaufzeiten. Aber: dafür ackere ich dann aber auch "nur" 38h pro Woche und nicht annähernd doppelt so viel wie jetzt. Die Freiheit die Dinge so zu machen wie ich sie für richtig halte ist vermutlich eingeschränkt. Klar. Wobei das jetzt eigentlich auch so ist - es sei denn, ich machs aus eigener Tasche.

Sorry - ich für mich kann eigentlich keine Freiheiten mehr erkennen. Eigentlich fühlt es sich gerade gegenteilig an.

Gut, ich habe echt wenig Erfahrung als Angestellter... Ich war ja bisher nur ein Jahr in Vollzeit beschäftigt. Ansonsten immer nur Nebenjobs oder eben selbständig unterwegs. Meinetwegen übersehe ich das jetzt Dinge.

ein spannendes Arbeitsgebiet, Verantwortung, 30 Tage Urlaub im Jahr, ein 13. Monatsgehalt, automatisch steigender Lohn, Homeoffice, eigenes Sachgebiet, 50 /50 Verhältnis zwischen Büro / Praktischer Tätigkeit, Gleitzeit,... So die Bedingungen bei der ausgeschriebenen Stelle.


Keine Frage: man neigt dazu, nur das positive sehen zu wollen.

Es gibt auch Mobbing, neidische / eifersüchtige Kollegen, Tratsch, Geklüngel, Gehetze und Maskenpflicht. Ja. Aber: da wo ich mich beworben habe kenne ich die Leute die da sind - und denke, dass ich damit klar käme. Mit vielen arbeite ich auch amtsübergreifend schon lange zusammen, ich könnte mir das wirklich gut vorstellen.


Und mal unter uns: ich zahle mir monatlich ein Gehalt von 550€ aus. Davon bestreite ich Miete, Energie und Essen - der Rest läuft über die Firma. Also das Märchen von den goldenen Zeiten im Handwerk - kannste echt vergessen. Und ja - die nächste (zum Glück) angesagte Krise macht mir Angst.

Verrückt ist an der ganzen Geschichte nur eines:

Würde mir die Wertschätzung und Respekt entgegengebracht werden ODER würde ich damit wirklich gutes Geld verdienen - ich würde es wohl weiter mitmachen. Aber beides ist eben nicht der Fall - deswegen denke ich da gerade ein wenig um.

Zudem: Es wird nicht anders gehen, als dass ich nebenberuflich selbständig bleibe. Es könnte ja doch mal ein Gewährleistungsfall kommen und es gibt ja doch den ein oder anderen guten Auftraggeber, den man gerne weiter unterstützt. Dann kann man vielleicht auch mal wieder mehr für Vereine machen, wo das Geld immer knapp ist und einfach was bewegen. Und halt noch ne Mark extra verdienen - was ich ja auch am Haus brauche.

Ach - ich rechne mal fix: Das Jahr hat ungefähr 109 Samstage und Sonntage, plus bis zu 13 Feiertage plus 30 Tage Urlaub / Jahr: Macht Summa Summarum: 152 freie (!) Tage pro Jahr - und Krankheitstage (so sie anfallen) kommen noch obendrauf.

SO viel Zeit hätte ich als selbständiger niemals - und obendrein auch noch "bezahlt" - also sorry... Was stimmt nochmal an meinem Weltbild nicht?

Mal sehen - es steht ja noch in den Sternen ob das überhaupt was wird. Kann auch genauso gut nix werden - aber: es geht ja doch der ein oder andere in Rente, daher ist das kein Fehler da schon mal vorzufühlen und Interesse zu bekunden. Ich spreche ja von "Perspektive" und nicht von "jetzt sofort".

Wie immer kann sich ja auch morgen wieder alles ändern - aber so richtig dran glauben tu ich da nimmer...
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