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Alt 17.04.2010, 18:08   #25
Andrew.derLuchs
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Wiederaufbau

Präsentation der Entwürfe vom Architekturwettbewerb Schloss Herrenhausen

Die Architekturentwürfe für den Wiederaufbau von Schloss Herrenhausen werden jetzt öffentlich gezeigt.
 Der Wettbewerbssieger setzt auf tiefergelegte Lichthöfe – und ein pfiffiges Raumkonzept im rekonstruierten Gartenschloss.

Wie lässt sich ein modernes Tagungszentrum mit Platz für bis zu 300 Wissenschaftler möglichst elegant und funktional in ein ansonsten originalgetreu aufzubauendes, aber kleines Schloss integrieren? 14 Architekturbüros aus ganz Deutschland haben Antworten gesucht – und sind auf zum Teil pfiffige Lösungen gekommen. Im Wettbewerb des Bauherrn Volkswagenstiftung hat sich das Konzept des jungen Hamburger Planungsbüros Jastrzembski Kotulla (JK) durchgesetzt. Es bringt auf die überzeugendste Weise Licht in den unterirdischen Tagungsraum im Schlosshof: Rechts und links des großen Hörsaals sind offene Lichthöfe im Stil spanischer Patios angeordnet, die begehbar sind. „So bringen wir Licht und Luft in die Tagungsebene“, sagt Architektin Bettina Jastrzembski. „Innovation und Tradition“ seien „kongenial“ verbunden, lobte Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, am Freitag bei der ersten Präsentation der Entwürfe.



Blick von unten: Aus dem Forum unter dem Schlosshof lässt sich durch den Patio das Schloss erkennen, rechts wandert der Blick in den großen Tagungssaal mit bis zu 300 Sitzplätzen.
© Handout


Die Hamburger Wettbewerbssieger haben lange an Details getüftelt. Das unterirdische Wissenschaftszentrum habe sich störungsfrei einbetten sollen in die Gartenarchitektur, betont Sven Kotulla: Oberirdisch soll kaum etwas von der modernen Technik im Untergeschoss zu erkennen sein. Bestenfalls würden die Lichthöfe wie eine „Neuinterpretation der Wasserbecken“ im Großen Garten wirken, verspricht Jastrzembski. Andere Planer haben deutlichere Spuren hinterlassen. Stephan Braunfels (Berlin) etwa lässt in seinem Entwurf den Schlosshof wie ein Amphitheater zum Tagungsbereich abfallen. Hans Kollhoff (Berlin) platziert eine starke, barocke Ornamentik im Außenbereich. Schneider+Schumacher (Frankfurt) haben riesige, blütenkelchartige Lichtschächte im Hof installiert, Storch Ehlers (Hannover) säulenartige Lichtschächte über den Hof verteilt. Der im Wettbewerb zweitplatzierte Entwurf (ASP, Hannover) hat die Idee der Viertelkreise des Ehrenhofs von der anderen Schlossseite mit modernen Lichtschächten wieder aufgenommen. Der Drittplatzierte, der Potsdamer Schlossarchitekt Peter Kulka (Dresden), schlägt einen typischen Herrenhausenbrunnen als von Wasser besprengte, barocke Lichtkuppel über dem Hörsaal vor. Mit ASP und Kulka wird zwar noch weiter verhandelt. Doch wer den Jurymitgliedern genau zuhört, der ahnt, dass die Hamburger als erste Preisträger im Wettbewerb das Rennen längst gemacht haben dürften. Stiftungschef Krull rechnet damit, dass schon „in vier bis fünf Wochen“ die endgültige Entscheidung bekannt gegeben werden kann.

Die Lichthöfe der Hamburger haben nicht nur den Reiz, dass sie sich der klassizistischen Schlossarchitektur des Hofbaumeisters Laves im Wortsinne unterordnen. Sie geben auch dem unterirdischen Wissenschaftsraum eine echte, eigene Qualität. Ein großzügiges Foyer entsteht auf der einen Seite des Hörsaals, auf der anderen Seite profitieren helle Seminarräume von der Patio-Idee. Und auch der Tunnel, der die Museumsbereiche in den beiden Schlossflügeln verbinden soll, könnte dank des ausgeklügelten Lichtkonzepts statt eines klaustrophobischen Gangs eine eigene Ausstellungszone mit Charme werden.

Auch in anderen Details überzeugt der Hamburger Entwurf. So haben Jastrzembski Kotulla als einzige Wettbewerbsteilnehmer bei der Neukonzeption des Festsaals im Obergeschoss andere Raumhöhen eingeplant – aus Rücksicht auf die Akustik. „Der unterirdische Hörsaal ist für Sprache ausgelegt, im Festsaal soll aber auch Kammermusik gut klingen“, sagt Ingenieur Carsten Ruhe, der die Hamburger in Akustikfragen beraten hat. Deshalb wurde im Festsaal statt der historischen Raumhöhe eine Deckenhöhe von über fünf Metern eingeplant. Was die Jury besonders überzeugt hat, ist die asymmetrische Raumaufteilung im Hauptgebäude. Weil der Museumsbereich von Osten her betreten wird und der Wissenschaftsbereich von Westen, haben die Hamburger auch das Haupttreppenhaus aus der Hauptachse Richtung Westen verlegt. Das sei konsequente Architektur, lobt der Juryvorsitzende und Berliner Architekt Prof. Klaus Theo Brenner: Wer sich mit klassizistischen Schlössern beschäftige, der wisse, dass häufig Asymmetrien eingesetzt wurden.

20 Millionen Euro will die Volkswagenstiftung in den Bau investieren. Bis zum Jahr 2012, zum 50-jährigen Bestehen der Stiftung, soll alles fertig sein, 2014 dort die große Welfenausstellung anlässlich der Feiern von 300 Jahren Personalunion mit Großbritannien gezeigt werden. Die Stadt mietet – mit Unterstützung des Landes – die beiden Schlossflügel für museale Zwecke zurück. Dort soll über die Welfen und das letzte Universalgenie Leibniz informiert werden. 2,2 Millionen Euro sind für das Museumsprojekt bereits zusammengekommen.

Der Juryvorsitzende Brenner nennt den Schlossneubau ein „wunderbares Rekonstuktionsprojekt“. Oberbürgermeister Stephan Weil frohlockte, in Herrenhausen werde künftig Natur- und Kulturgenuss mit Wissenschaftsgenuss und Wissenschaftsgeschichte vereint: „Jetzt haben wir eine Vorstellung davon, wie es künftig in Herrenhausen aussehen wird.“ Für alle Büros war die originalgetreue Rekonstruktion des Schlosses Bedingung, wobei Sonderaspekte wie die Fassadendämmung besondere Herausforderungen darstellen. Auch die Ausgestaltung der Innenräume des Hauptgebäudes ist noch offen. Einige Entwürfe lassen erkennen, wie schön sich der Festsaal wiederherstellen lässt, das Berliner Büro Kollhoff hat sogar konkrete Entwürfe zur Wiederherstellung des prächtigen Vestibüls geliefert. Die Innenausstattung aber ist derzeit noch kein Thema, stellte der Bauherr klar.

Stadt hofft auf Besucherzentrum: An der Ostseite des Schlosses, wo auch jetzt während der Bauphase schon Besucher am Jacobsen-Glasfoyer vorbei in den Großen Garten geleitet werden, will die Stadt ein zentrales Besucherzentrum einrichten, in dem sowohl Kassenbereiche von Gartenanlage und Museum als auch Museumsshop untergebracht werden können. „Die Entwürfe zeigen, dass es funktioniert“, freut sich Kulturdezernentin Marlis Drevermann, die am Freitag die Kulturpolitiker des Rates durch die Ausstellung führte.

Die Entwürfe aller 14 Planerbüros sind bis zum 2. Mai 2010 im Historischen Museum an der Pferdestraße zu besichtigen. Der Eintritt für diese Ausstellung ist frei.

© HAZ - Conrad von Meding | 16.04.2010
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