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Alt 07.04.2010, 17:03   #15
Andrew.derLuchs
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Was soll ins Herrenhäuser Schloss?

Umstrittene Inneneinrichtung
Was soll ins Herrenhäuser Schloss?


Die alte Fassade des Herrenhäuser Schlosses kommt wieder, aber wie soll es im Inneren aussehen? Bauherr und Freundeskreis haben unterschiedliche Vorstellungen.

Die Vergangenheit ist zurück; das Herrenhäuser Schloss ist vollständig rekonstruiert. Überraschend zügig und geräuschlos, inklusive Wandgemälden und Tapeten. Jedenfalls als 2,85 Meter langes Modell, gestaltet vom Künstler Olaf Wöbbeking. Rainer Beckmann, Chef des „Freundeskreises Schloss Herrenhausen“, präsentierte dieses bei der ersten Versammlung des Freundeskreises in den Leineschloss-Gaststätten - und nutzte die Gelegenheit, für den Wiederaufbau des 1943 zerstörten Originals ein paar Wünsche vorzutragen: „Es wäre gut, auch im Inneren so viel wie möglich vom alten Bestand zu rekonstruieren“, sagte er. Der Freundeskreis will die Räume möglichst authentisch gestalten - das Modell hätte sozusagen Modellcharakter.

Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, die das Gebäude bis 2012 wieder aufbauen will, gab sich hingegen reserviert: Zwar seien Architekten im Wettbewerb gehalten, auf ein harmonisches Zusammenspiel von innen und außen zu achten, sagte er. „Es gibt aber die klare Ansage, im Hauptgebäude ein modernes Tagungszentrum zu schaffen, barrierefrei und behindertengerecht.“ Er sei zwar offen dafür, etwa historische Gemälde aufzuhängen. „Doch die Funktion als Tagungszentrum können wir nicht gefährden.“ Erste Konferenzen will die Stiftung als „Herrenhäuser Gespräche“ bereits im kommenden Jahr im Galeriegebäude veranstalten, um bei Themen wie Hirnforschung oder Gentechnik Wissenschaft und Öffentlichkeit ins Gespräch zu bringen.

In seinem Vortrag beim Freundeskreis skizzierte Krull außerdem, wie die Räume hinter der historischen Laves-Fassade aussehen sollen: Ein Hörsaal mit gut 200 Plätzen, Dolmetscherkabinen, die Räume sollen für verschiedene Veranstaltungen flexibel aufteilbar seien. Viel Platz für Interieur aus der glanzvollen Vergangenheit bliebe dabei wohl nicht: „Historisches könnte in den Seitenflügeln einen Platz finden“, sagte Krull. Diese sollen vom Historischen Museum genutzt werden. Er halte es für sinnvoll, die Museumsflügel unterirdisch zu verbinden, sagte Krull. „Unsere Satzung verbietet uns jedoch, dies finanziell zu fördern.“

Die Debatte ums Schlossinterieur rührt gewissermaßen an die Frage nach inneren Werten: In der Baugeschichte war eine Fassade immer auch ein Versprechen. Das Äußere eines Gebäudes traf eine Aussage darüber, was sich im Inneren befand - ein prachtvolles Herrschaftszentrum oder eine nüchterne Behörde. Wäre ein äußerlich alt anmutendes Schloss, das innen neu eingerichtet ist, so gesehen nicht eine grandiose Verpackung für etwas, das es gar nicht gibt? Nimmt unsere Epoche die Hülle für den Inhalt und gibt sich mit der Fiktion von Vergangenheit zufrieden? Oder ist bei diesem Bau vielleicht gerade das Äußere das Wichtige, weil es den Großen Garten als Gesamtkunstwerk abrundet?

Authentizität jedenfalls könnte der Schlossnachbau allein durch sein Inneres gewinnen - denn die Einrichtung wurde, anders als der Bau selbst, nicht komplett zerstört. Viele Stücke waren ausgelagert, als die Bomben fielen. Etliche Möbel und Gemälde hüten die Welfen heute im Fürstenhaus Herrenhausen, andere machten sie 2005 bei ihrer Auktion auf der Marienburg zu Geld. Der Freundeskreis wolle sich für den Erwerb von Kunstobjekten fürs Schloss einsetzen, sagte Beckmann. Möglicherweise bekommt er dabei Schützenhilfe: Christian Prinz von Hannover, der Sohn von Welfenchef Ernst August, hatte 2005 Unterstützung zugesagt. „Für einen Wiederaufbau des Schlosses Herrenhausen“, erklärte er damals in einem Interview, „würden wir reichlich Kunstgegenstände als Leihgabe zur Verfügung stellen.“

Kritik an Schlossführer mit NS-Passagen: Der langjährige Direktor des Historischen Museums, Waldemar R. Röhrbein, zeigt sich „befremdet“ über den vom Freundeskreis als Reprint veröffentlichten Schlossführer von 1937. Dieser wimmele nicht nur von kunsthistorischen Fehlern - auch NS-freundliche Passagen hätten nicht unkommentiert veröffentlicht werden dürfen. Beckmann wies die Kritik zurück: „Die Broschüre ist ein Dokument der Zeitgeschichte, das für sich selber spricht.“

Ausgrabungen abgeschlossen: Das Loch ist nicht tief, aber wer hineinschaut, blickt drei Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit: Bei Grabungen sind am Rande des Großen Gartens in den vergangenen Wochen in nur 40 Zentimeter Tiefe Schlossfundamente aus der Zeit um 1700 ans Licht gekommen. Mehr, als viele zu hoffen gewagt hatten: „Wir haben genug gefunden, um die genaue Lage des Schlosses rekonstruieren zu können“, sagt Martina Pörschke von der Volkswagen Stiftung. Die Pläne aus dem 18. und 19. Jahrhundert allein wären dafür zu ungenau gewesen.

„Wir sind auch auf eine Steintreppe und ein kleines Kellergewölbe gestoßen“, sagt Michael Braune, Bauarchäologe am Landesamt für Denkmalpflege. Darin war ein zerlegter Kachelofen eingelagert. Auch ein aus Sandstein gehauenes Regal kam im Erdboden zum Vorschein - ebenso wie rostige Schlüssel, eine Milchflasche und Reste des Treppengeländers. „Die Funde sind eher bescheiden - als 1965 die Queen Hannover besuchte, wurde das Areal gründlich aufgeräumt und planiert“, sagt Braune. Dennoch werden die Denkmalpfleger noch ein Stück weitergraben. Und bis - voraussichtlich Ende nächsten Jahres - die Erdarbeiten für den Wiederaufbau des Schlosses beginnen, werden zwei Löcher offen bleiben. Als Besucherattraktion ganz eigener Art.

© HAZ - Simon Benne | 16.10.2009
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